Überläufer Susi - Eine Skulptur und ihre Geschichte
Die Geschichte von "Susi"
nach den Aufzeichnungen von Paul Deickert in „Historisches Döberitz“, 1930 u. 1936
Im alten Dorf Döberitz lebt Susi, ein Wildschwein, und zwar ein — zahmes. Susi ist im Jahre 1923 nach Döberitz gekommen, und das kam so:
Das Amt des Platzaufsehers hatte damals der Wachtmeister Oskar Schneider. Bei einem Pirschgang in der Jungfernheide am 23. Februar fing Hella, die Hündin Schneiders, einen abgekommenen Frischling und brachte ihn ihrem Herrn, der ihn mit in seine Behausung nahm und dort behielt in der Absicht, ihn groß zu ziehen. Susi — diesen Namen erhielt das Tierchen — war zuerst sehr scheu und wild und nahm drei Tage lang keine Nahrung zu sich. Mit vieler Mühe gelang es Schneider am vierten Tage, ihr mit Hilfe eines Löffels in Milch geweichte Semmel einzugeben. An dieses Futter gewöhnte sich Susi bald. Nach vier Wochen bekam sie als Zugabe rohes Ei und rohes Fleisch. Im Alter von drei bis vier Monaten erhielt sie rohe Kartoffeln, Küchenabfälle und Fallobst. Das letztere suchte sie sich zum Teil bald selbst in den Döberitzer Gärten, wo sie sich auch durch Brechen ihre natürliche Nahrung zu verschaffen begann.
An ein Entweichen hat Susi nie gedacht. Sie und Hella verband vom ersten Tage an eine enge Freundschaft. Die beiden Tiere waren unzertrennlich. Selbst ihr Lager — eine alte Feldbettstelle — in Schneiders Unterkunft teilten sie, bis Susi, ein viertel Jahr alt, in den Stall umquartierte. Susi war Hellas Schützling. Die Hündin betrachtete sie ganz aufmerksam und duldete weder andere Hunde noch fremde Menschen in ihrer Nähe.
Susi begleitete, zusammen mit Hella, ihren Herrn auf seinen Reviergängen. Auch unter Menschen, ja selbst ins Gasthaus Hubertus, ging sie mit ihm. Einer Tischgesellschaft im Offiziersheim, der Traditionskompanie der Gardejäger, hat sie ebenfalls einst einen Besuch abgestattet. Susi hat eine gewisse Erziehung genossen. Sie hörte bald auf den ihr beigelegten Namen und gehorchte ihrem Erzieher aufs Wort.
Susi hat aber auch wirklich etwas gelernt. Sie konnte sich im Alter von etwa einem Jahr in der Öffentlichkeit zeigen als — Filmdiva. Unter der Überschrift „Die filmende Wildsau“ berichtet am Donnerstag den 24. Mai 1924 die „B.Z. am Mittag“: „In der riesigen Zeppelinhalle in Staaken wird wieder gefilmt …, da gibt es auch eine zahme Wildsau. Sie heißt Susi und ist das komischste Tier der Welt, wenn sie in den Spielpausen gelangweilt zwischen dem Publikum spaziert. Grune braucht für die Realität der Sturmnacht im einsamen Wald eine Wildsau, die, vom Wetter aufgeschreckt, zehn Sekunden lang durchs Bild galoppiert. Es muss eine Wildsau sein, die filmen kann, die auf Kommando daher oder dorthin rennt oder stehen bleibt. Es ist wunderbar, wie der Film doch alles findet, was er braucht. Gibt es also tatsächlich bei Berlin einen Förster, dem einmal seine Vorstehhündin im Wald einen verlassenen Frischling aufgestöbert und zugebracht hat. Zusammen haben sie ihn dann aufgezogen und Susi gehört jetzt zur Familie. Die Tiere sind unzertrennlich (wenn auch aufeinander eifersüchtig, sie beißen sich oft); Susi benimmt sich wie ein wohldressierter Hund und gehorcht aufs Wort. Sie hat gestern in Blitz, Sturm und Regen ihr Filmdebüt glänzend bestanden …“
Im Übrigen lebt Susi zufrieden und einsam in dem ebenso einsamen Dorf Döberitz. An die Stelle des inzwischen aus dem Dienst geschiedenen Wachtmeisters Schneider trat der am 7. 10. 29 tödlich verunglückte Oberjäger Linz. Zwischen ihm und Susi war das Verhältnis ein gleich gutes. Susi hat, wie schon gesagt, nie ans Ausbüxen gedacht. Wenn sie des Öfteren tage- oder wochenlang sich in der freien Wildbahn umgesehen hatte, dann kam sie von ihren Ausflügen stets unversehrt zurück.
Das blieb so bis um Weihnachten 1927. Das war es um Susi geschehen! Den Rechten, die sich in der Liebe herausgenommen hatte, folgten — Mutterpflichten! Vier Frischlinge, einen Keiler und drei Bachen, hat sie am Karfreitag 1928 zur Welt gebracht.
Von den Kindern blieben Liese und Lotte bei der Mutter und lebten mit ihr in dem großen Gatter im Schlosspark ein glückliches und ungestörtes Familienleben. Die gewohnten Ausflüge auf den Platz wurden regelmäßig unternommen. Pünktlich mit dem Dunkelwerden schoben die drei Schwarzkittel sich täglich im Schafstall ein, um des Morgens wieder hinaus ins Gatter oder ins Freie zu wechseln.
Mit dieser Beschäftigung war im Großen und Ganzen ihr Dasein ausgefüllt. Änderungen in diesem waren auch vor der Hand nicht zu erwarten, da vor Dezember Rauschzeit nicht Anstand und füglich Nachwuchs vor Frühjahr 1930 nicht zu erwarten war. Umso größer war das Erstaunen, als man am 2. September, also zu einer ganz ungewöhnlichen Zeit, aus dem Strohgeflecht im Döberitzer Gutsstall sechs buntgestreifte Frischlinge hervorkrabbeln sah: Am Sonntag, den 1. 9. 1929, ist Liese Mutter, Lotte Tante und Susi Großmutter geworden.
"Susi" in Bronze - Von der Handzeichnung zur fertigen Skulptur
Der Künstler und Bildhauer Rüdiger Wichmann aus Dallgow hat das Wildschwein Susi im Jahre 2015 in Bronze verewigt. Die Skulptur ist im Rathaus Dallgow-Döberitz ausgestellt. Die Übergabe erfolgte am 6. September 2024.
Bürgermeister Sven Richter, Künstler und Bildhauer Rüdiger Wichmann, Historiker Andreas Krüger (v.l.n.r.)